Auf Zeitreise mit Max Raabe

Max Raabe Tour: Wiener Konzerthaus

Konzert-Highlight

Der Sänger Max Raabe ist im Wiener Konzerthaus aufgetreten. Dabei wurde er von der Stadt, die sich mit ihrem Ringstraßenhistorismus und der Sisi-Nostalgie selbst in einem Nebel der Vergangenheit befindet, begeistert empfangen.

Max Raabe Wiener Konzerthaus
Max Raabe wurde vom Wiener Publikum kaum von der Bühne gelassen.

Die vermutliche erste Boyband der Welt, die die damals neue Globalisierung und die junge Plattenindustrie Ende der wilden 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hervorbrachten, waren die Comedian Harmonists. Ab Mitte 1934 hatte das Vokalsextett mit jüdischen Mitgliedern in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland Auftrittsverbot. Die Hälfte der Gruppe emigrierte wenig später und verließ Europa, doch in den Herzen der Menschen blieben ihre Lieder. Auch viele andere Komponisten und Texter mussten aus Deutschland fliehen. Mit dem Programm „Übers Meer“ erinnert Max Raabe in Wien gestern Abend an diese Künstler.

Der Klang des Tonfilms

Der Bariton rief an dem Abend Komponisten und Texter ins Gedächtnis, die für zahlreiche Schlager bekannt sind: Fritz Rotter („Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ oder „Was macht der Maier am Himalaya“), Robert Gilbert („Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n“), Walter Jurmann („Mein Gorilla hat 'ne Villa im Zoo“) oder „Veronika, der Lenz ist da“, Austin Egen („Ich kenn zwei süße Schwestern“), Hans May („Ein Lied geht um die Welt“) und Werner Richard Heymann („Das gibt´s nur einmal, das kommt nicht wieder“) – allesamt Musikschaffende, die auch dem jungen Tonfilm in der Weimarer Republik zum Kassen-Schlager verhalfen.

Haltung bewahren

In seiner unnachahmlichen Weise platziert sich Max Raabe gestern Abend dabei mit seinem Seitenscheitel und im schwarzen Frack – stilecht mit Einstecktuch - vor dem in der Mitte der Bühne stehenden Mikrofon. Hinter ihm der schwarze Steinway-Flügel mit seinem Pianisten Christoph Israel. Sein Palastorchester hatte er zuhause gelassen. Wie bei einer Schalplattenaufnahme, mit geradem Körper, den linken Fuß leicht vor dem rechten, bringt er Hits wie „Ich schau in deine Augen“ oder „Wenn der Wind weht über das Meer“: Kaum merklich bewegt er sich dabei. Nur selten legt er seinen rechten Arm auf den leicht aufgeklappten Deckel des Flügels.

Minimalismus Pur

Max Raabe spielt sich nicht in den Vordergrund. Im Zentrum seines Auftrittes steht die Musik. Auch nur wenige Moderationen haben den Weg ins Programm gefunden. Vor jedem Lied erwähnt der Interpret nur stakkatohaft Komponist und Texter. Nach dem Lied verbeugt er sich aus der Hüfte heraus und dankt so für den Applaus. Dabei schaut er abwartend in die Ränge, dass der Applaus für den Beginn des nächsten Liedes abebbt.

Lustiger Pfeiffer

Mit seinem Minimalismus und den pikanten Texten gelang es Max Raabe aber doch das ihm wohl gesonnene Publikum vortrefflich zu unterhalten. Bei „Weißt Du was du kannst“, „Sag ich blau, sagt sie grün“, „Ich kenn‘ ein kleines Herrenartikelgeschäft“ oder „Ich kenn zwei süße Schwestern“ belohnte es ihn mit zahlreiche Lacher. Nur selten konnte das Publikum bei Max Raabe selbst auch erahnen, dass gerade angesichts der unterhaltsamen Texte vielleicht der Hauch eines Lächelns über sein Gesicht gehuscht war. Mit seinen Pfeiff-Künsten zu „Love Song of Tahiti“ eroberte er sich auch auf diesem Terrain den Respekt seiner Gäste.

Ohrenschmaus

Doch nicht nur die Texte der Lieder waren ein Genuss. Max Raabe versteht es perfekt die Songs zu interpretieren. Mit seinem vollen Timbre hatte er den historischen Saal binnen Sekunden für sich erobert und überdeckte ihn am Ende einiger Lieder mit einem zart, fast dahingehauchten Schluss.

„Wir wollen uns nicht zieren“

Doch auch nach fast zwei Stunden, als das nahende Konzert-Ende mit dem Rücksturz in die Gegenwart drohte, hatte das Publikum im Mozartsaal des Wiener Konzerthaus noch nicht genug. Schnell kam Max Raabe mit den Worten „Wir wollen uns nicht zieren“ zur Zugabe. Mit dem Annette-Humpe-Hit „Küssen kann man nicht alleine“, der sich perfekt unter den historischen Songs versteckte, sowie „Lebewohl, Gute Reise“ endet das Konzert.

Rückkehr geplant

Schon im Mai kehrt Max Raabe nach Wien zurück. Zusammen mit seinem Palastorchester ist er am 04. und 05. Mai kurz bevor der „Eurovision Song Contest“ über diese Bühne geht, in der Wiener Stadthalle zu sehen.

Ansgar Gersmann
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