Xavier Naidoo beim „ESC 2016“: Richtig oder falsch?

Kommentar: Xavier Naidoo für Deutschland beim „ESC“ 2016 in Stockholm

„ESC 2016“

Am Donnerstag hat die ARD ihre Entscheidung bekanntgegeben: Xavier Naidoo vertritt Deutschland beim „Eurovision Songcontest 2016“ in Stockholm. Seitdem diskutiert das ganze Land: Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Kommentar Xavier Naidoo ESC
Eine sehr umstrittene Entscheidung: Xavier Naidoo singt 2016 für Deutschland beim „Eurovision Song Contest“.

Und wieder einmal reformiert die ARD ihr Auswahlverfahren für den „Eurovision Song Contest“. Die Empörung ist diesmal besonders groß, denn der Kandidat steht schon vorher fest: Xavier Naidoo. Die Zuschauer haben nur noch bei der Liedauswahl ein Mitspracherecht. Das stößt vielen „ESC“-Fans bitter auf. Andererseits gab es 2011 keinen Aufschrei, als für die damalige Titelverteidigerin Lena ein ähnliches System kreiert wurde. Bei dem Ärger geht es diesmal auch um den Kandidaten an sich: „Keine gute Wahl“ schreibt Spiegel Online. Sueddeutsche.de spricht von „einem schlechten Scherz“ und in den sozialen Netzwerken läuft ein regelrechter Shitstorm gegen den Sänger und die Entscheider beim NDR.

Vorwürfe gegen Xavier Naidoo: Antisemitismus, Rechtspopulismus und Homophobie

Die heftigen Reaktionen sind verständlich, geht der Blick Richtung Aussagen und Songtexte des Sängers. Beim „Hidden Track“ seines Xavas-Albums „Gespaltene Persönlichkeit“ vermengt Xavier Naidoo die Themen Homosexualität, Pädopholie und Kindesmissbrauch auf äußerst fragwürdige Weise. Sein Auftritt vor den sogenannten „Reichsbürgern“ hat ebenfalls für Aufsehen und Unverständnis gesorgt, genau wie seine Äußerungen, dass Deutschland immer noch ein besetztes Land sei.

Lediglich gegen den Antisemitismus-Vorwurf setzte sich Xavier Naidoo entschieden zur Wehr. Ansonsten fällt der Sänger immer wieder mit merkwürdigen Erklärungen auf. Es ist mehr als fraglich, ob eine solche Persönlichkeit wirklich der richtige Vertreter für Deutschland ist – auch wenn der NDR betont, dass Xavier Naidoo als erster dunkelhäutiger Vertreter ein multikulturelles Deutschland repräsentiere. Auch wenn er selber sagt, dass er für Liebe und Weltoffenheit stehe.

Xavier Naidoo: Erfahrener Sänger mit herausragender Stimme

Bei der Betrachtung der Erfolge und des Könnens von Xavier Naidoo wirkt die Wahl widerum mehr als verständlich. Er hat im Laufe seiner Karriere zahlreiche Preise abgeräumt – vom „ECHO“ über den „Deutschen Fernsehpreis“ bis hin zum „MTV Europe Music Award“. Der Mannheimer hat 2006 bei der Fußball-Weltmeisterschaft mit seinem Lied „Dieser Weg“ die Massen bewegt und 2012 beim „Bundesvision Song Contest“ bewiesen, dass er dem Druck eines großen Contests standhalten kann. Seine musikalischen Qualitäten sind sowieso seit jeher unumstritten. Xavier Naidoo gehört zu den herausragenden Sängern in Deutschland.

Nicht unentscheidend für die Wahl der Programmverantwortlichen dürfte aber ein weiterer Aspekt sein: Der große Retter Stefan Raab hat sich endgültig zurückgezogen, nun braucht es einen neuen Retter. Und Xavier Naidoo hat sich in den letzten Jahren klammheimlich zum neuen TV-Musikshow-Star in Deutschland gemausert. Bei „The Voice of Germany“ war er in den ersten Jahren sowas wie der Boss, die Stimme für Qualität. Dann wechselte er zu „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“, das er ebenfalls zum Erfolg führte. Dort präsentiert er sich in der Rolle des von anderen Stars verehrten Gastgebers. Nun soll er also den „ESC“ retten.

Der Erfolgsdruck auf die ARD wächst

Die Entscheidung hängt sicherlich auch mit dem Erfolgsdruck der ARD zusammen. Jedes Jahr fließen aus Deutschland riesige Summen in den Gesangswettbewerb. Und das Publikum hierzulande ist herbe Niederlagen wie beim „ESC 2015“ nur aus wenigen Bereichen gewohnt. Nach den enttäuschenden letzten Jahren tun die Verantwortlichen nun wirklich alles für ein erfolgreiches Abschneiden. Hierfür spricht auch die durchaus spannende Entscheidung, größeren Wert auf die Inszenierung zu legen. Xavier Naidoo selber hat jetzt eigentlich nur noch wenig zu verlieren. Den ersten Shitstorm hat er bereits hinter sich. Bei einem schlechten Abschneiden folgt halt ein weiterer.

Falls er den Titel nach Deutschland holt, werden viele Kritiker jedoch verstummen. Denn am Ende geht es den meisten Zuschauern bei dem Wettbewerb eben doch um den Erfolg. Aber warum ist es bei einem Songwettbewerb eigentlich wichtig, dass ein bestimmtes Land gewinnt? Primär geht es um Musik. Und anscheinend auch um Weltoffenheit und gesellschaftliche Werte. Wenn die aktuelle Diskussion um Xavier Naidoo diese Sichtweise in den Vordergrund rückt, hätte die Nominierung des Sängers auf jeden Fall auch was Gutes.

Lenne Kaffka
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