Die richtige Prise Musik beim „ESC“

Erfolgsrezept

Was macht einen Song zur „ESC“-Siegernummer? Die Anrufe des Publikums natürlich. Ganz so einfach möchten wir es uns heute aber nicht machen. Wir begeben uns auf die Suche nach einem „ESC“-Erfolgsrezept.

Letztes Jahr sprang Conchitas Funke über.

Einen Traummann kann man sich nicht backen. Doch was ist mit dem perfekten „ESC“-Beitrag? Schrille Outfits, nackte Haut und fulminante Lichtershows: Viele Länder machen alles dafür, um sich nicht nur mit einer gesanglichen Darbietung zu profilieren. Doch trägt dieser technische, tänzerische oder modische Aufwand auch die gewünschten Früchte? Kommt Mode und Inszenierung besser an als Gesang und Gefühl? SchlagerPlanet sieht sich in den neusten Namen der „ESC“-Ahnenhalle um, auf der Suche nach einem Erfolgsrezept.

Authentizität und Coolness

2010 geschah es: Lena holte den Sieg nach fast drei Jahrzehnten wieder nach Deutschland. Die charmante Unbekümmertheit dieser jungen Frau sprang ohne Umschwünge auf das europäische Publikum über. Ihre akzentuierte britische Aussprache gliederte sich perfekt in ihre lässigen Bewegungen und den schlichten aber authentischen Look ein. Eine große Lichtshow, ein verrücktes Outfit oder auch ein einladendes Dekolleté führten sie nicht aufs Treppchen. Authentizität, Coolness und eine eingängige Melodie genügten bei ihr für den Sieg.

Inszenierung und Dramatik

Im Folgejahr regierte hingegen die große Inszenierung. Weiße Roben, synchrone Tänzer und ein Song über große Gefühle. Ein rundes Gesamtpaket, auch wenn es das genaue Gegenteil der Vorjahressiegerin darstellte. Ell und Nikki traten mit „Running Scared“ in Düsseldorf auf. Melodramatische Stimmung, tiefe Blicke und immer wieder aufstrahlende Lichter. Eine schwere Ballade war es, die erklang, jedoch durch ein eingängiges „OH OH OH“ an Fahrt gewann. Inszenierung und Dramatik blieben leitende Begriffe für diesen Auftritt.

Individualität und Atmosphäre

Euphorie für „Euphoria“ könnte das Stichwort für das Jahr 2012 gewesen sein. Loreen erreichte eine der höchsten Punktzahlen in der Geschichte des „Eurovision Song Contest“. Die Kreuzung aus ihrem indianischen Look mit modernen Dance-Beats ergab ein interessantes Ganzes. Doch ohne die Windmaschine, die wehende Kleidung und die futuristischen Moves der Künstlerin hätte der Song bei weitem nicht diese Atmosphäre des Mysteriösen kreieren können. Individualität und Atmosphäre ließ dieser Song zurück.

Wärme und Dynamik

Traditionelle Trommeln, eine barfüßige Sängerin und eine melancholisch anmutende Flöte bildeten den Mittelpunkt der Performance von Emmelie de Forest. Sie spielte ein kleines unschuldig anmutendes Mädchen, das auf eine bessere Welt hofft. Dänemark durfte sich freuen. Barfuß spazierte sie über den kühlen Studioboden. Wärme und Dynamik formten den Auftritt von Emmelie De Forest.

Emotionen und Extravaganz

Es war eine Feuertaufe für Conchita Wurst. Wie ein Phönix stieg sie aus der Asche auf und brachte große Gefühle, Dramatik und Inszenierung an die europäischen Menschen. Thomas Neuwirth kreierte die Kunstfigur Conchita Wurst, die ganz ladylike den Preis für Österreich entgegen nahm. Ihrem Song „Rise like a Phoenix“ wurde „Bond“-Song-Potential attestiert und Conchita ragte wie eine Galionsfigur in Gold über das ansonsten reduzierte Bühnenbild: Emotionen und Extravaganz.

Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten

Auf den ersten Blick springt vorerst nur eine Gemeinsamkeit ins Auge: die weibliche Beteiligung. Zuletzt siegte mit Alexander Rybak 2009 ein männlicher Teilnehmer – damals mit rekordverdächtigem Ergebnis. Doch sind hohe Frauenstimmen wirklich das Erfolgsrezept für einen Sieg beim „Eurovision Song Contest“? Das ist wahrlich anzuzweifeln. Doch ist es deutlich, dass zumeist Persönlichkeiten gewannen, die sich aus dem Einheitsbrei der Gestriegelten und Gestylten hervorheben. Seien es eine Frau mit Bart, eine barfüßige Elfe oder ein verrückt tanzendes junges Mädchen im Schneewittchenlook.

Selten sind es hingegen die ganz verrückten Beiträge, die den Sieg erringen. Buranowski Babuschki, die singenden Omas verfehlten mit „Party for everybody“ knapp die Spitze. Aarzemnieki kamen mit „Cake to bake“, einem Lied über das Backen eines Kuchens nicht einmal ins Finale. Auch der volle Einsatz beim Butterstampfen und Waschen beim polnischen Beitrag von Donatan und Cleo genügte nicht für eine Treppchenplatzierung.

Doch der wohl wichtigste Hinweis ist, dass sich ein Erfolg zumeist nicht einfach wiederholen kann. Auch wenn „ESC“-Legenden wie Johnny Logan mit einigen Erfolgen als Interpret und Komponist in die Geschichte eingingen, ist dies nicht die Norm. Wie erfolgreich wäre der Auftritt von Lordi 2006 denn wohl gewesen, wenn zuvor bereits ein Dutzend ihrer Sorte angetreten wären? Ein Erfolgsrezept gibt es nicht, aber wie bei einem guten Mahl darf die besondere Würze nicht fehlen, die weder dominiert noch untergeht, sondern in Wohlgefallen abrundet.